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22.10.2019 Kategorie: Angedacht

Schreibblockade

Manchmal passiert es, dass ich eine Zeitungsandacht schreiben möchte, aber mir fällt kein geeignetes Thema ein. Der Redaktionsschluss drängt, die Zeit läuft, die Uhr tickt, und die ganzen guten Ideen, die ich neulich mitten in der Nacht, auf dem Spaziergang oder sonst wo hatte, sind verflogen. Hätte ich mir doch notieren sollen. Ich dachte, die Idee ist so gut, die wirst du schon nicht vergessen, und nun ist sie weg. Verschwunden von dem Andachtsradar. Viele sagen mir ja, dass sie diesen kleinen geistlichen Fastfood-Häppchen daheim am Küchentisch gern lesen, weitab von unbequemen Kirchenbänken und orgelbetäubenden Chorälen. Niemand soll die 30 Sekunden Lesezeit bereuen, sondern angestoßen, angeregt, inspiriert und motiviert werden, seinen Glauben im Alltag fröhlich und gelassen zu leben. Ernst und augenzwinkernd, humorvoll und provokativ, anregend und aufregend, leseleicht und gehaltvoll soll es sein. Aber nun sitze ich hier mit Schreibblockade. Am wohl letzten Sommertag dieses Herbstes mit seinen 25 Grad, die manchen Lebkuchen- und Dominosteinvorrat dahinschmelzen lassen. Selbst schuld, wer diesen saisonalen Süßkram jetzt schon kauft. Von der Geburtstagstorte nasche ich ja auch nicht schon zwei Monate vorher, oder? In Düsseldorf wurde ein aufgemotztes Auto aus dem Verkehr gezogen. Goldglänzend getunt, ein Goldbarren auf Rädern, und ein Sachverständiger soll nun klären, ob der Glanz andere blenden und gefährden könnte. Der Wirtschaftsnobelpreis ging an drei Armutsforscher, während die Bauern eine Mäuseplage beklagen. Zu politischen Dingen wäre dieser Tage viel zu sagen, aber das lasse ich lieber. Ob Paulus auch mal unter Schreibblockade litt? Manche seiner Briefe, entstanden im Gefängnis. Nicht bequem am PC mit Schreibtischlampe, sondern mit Tinte auf Papyrus im Dämmerlicht. Aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen musste er seine Worte diktieren, und die Briefe dann auf die gesicherte Reise in seine Gemeinden schicken, wo sie bis heute viel Segen wirken. Er schreibt von Freude im Glauben, von Anfechtung und Zweifel, von Tod und neuem Leben, von Hingabe und Verlust, von Gerechtigkeit und Gnade, und von einer Kraft, die in unserer Schwachheit mächtig am Wirken ist. Und das vielleicht auch sogar durch so eine blöde Schreibblockade.

Rainer Sturm / www.pixelio.de

Beitrag von Pastor Frank Wesemann