Die Geschichte der Kirche zu Wendeburg und ihrer Pfarrer

Dort, wo die alte Herrstraße von Braunschweig nach Celle die Aue überquerte, wurde irgendwann im hohen Mittelalter (12. oder 13. Jahrhundert) eine Burg angelegt. Nach ihrem Besitzer nannte man diese kleine Wehrburg "Winetheborg". Eine Kapelle wurde bald hinzugefügt. Erhalten aus dem Mittelalter ist sonst nur eine Stifterplatte (oder war es ein Grabstein?), die noch heute in etwa 5 Meter Höhe am Kirchturm angebracht ist. Dieser Stein zeigt den Gekreuzigten mit Maria und Johannes, ihnen zu Füßen das betende Stifterpaar. Darunter befindet sich ihr Adelswappen mit der Jahreszahl 1439.
Erst aus dem Zeitalter der Reformation (16. Jahrhundert) gibt es schriftliche Berichte über unsere Kirche und ihre Pfarrer. Der erste Pastor, der erwähnt wird, ist ein gewisser Heinrich Meyer-Arndes. Lange hat er in unserem Ort Dienst getan: gekommen ist er um das Jahr 1545, gestorben um das Jahr 1590. Wir wissen von ihm, dass er als Priester in Hildesheim mit allen Weihen versehen worden ist. In Wendeburg wurde er in die Strudel der Reformationskämpfe hineingezogen. Je nach politischer Großwetterlage musste er seine Konfession wechseln: die genauen Unterschiede zwischen evangelisch und katholisch waren ihm sowieso unbekannt. Als er starb, war unser Land nach mehreren Wirren offiziell evangelisch geworden — allerdings waren die Streitigkeiten noch längst nicht beigelegt. Sein Nachfolger, Pastor Gebhardi, wurde gleich zu Beginn des 30-jährigen Krieges von katholischen Truppen (Spaniern) erschlagen. Und im Gegenzug haben die Protestanten dann den katholischen Pfarrer von Woltorf, den auch als Dichter bekannten Friedrich Spee, überfallen und lebensgefährlich verletzt.
Rund hundert Jahre währten die Religionskämpfe in unserem Land (von etwa 1540 bis 1640). Die Kirchlichkeit und auch wohl der christliche Glaube war in dieser Zeit sehr gesunken; Gottesdienste wurden nur selten besucht.
An Stelle des Glaubens trat damals verstärkt der Aberglaube; noch im Jahr 1676 wird in Wendeburg eine gewisse Anna Voigt verhaftet, nach Wolfenbüttel ins Gefängnis gebracht und wegen ihrer "Hexerei und Zauberei" angeklagt (von dem Ausgang des Prozesses erfahren wir leider nichts).
Während das übrige Braunschweiger Land durch Un-Kirchlichkeit geprägt blieb, nahm die Entwicklung in Wendeburg einen etwas anderen Weg. Das haben wir zum Teil zwei Pfarrern zu verdanken, die zusammen fast 100 Jahre als Geistliche hier tätig waren: Pastor Christian Schmidt (1625-1672) und seinem Schwiegersohn Pastor Sebastian Marburg (1672-1721). Durch sie stabilisierte sich langsam auch das kirchliche Leben unseres Ortes wieder. So wurde zum Beispiel 1650 eine große Bibel gekauft, die wir noch heute besitzen und 1714 eine große Glocke, die sich ebenfalls noch heute in der Kirche befindet.
Auch die nachfolgenden Pfarrer des 18. und 19. Jahrhunderts haben Gutes und Segensreiches für unseren Ort getan; die meisten waren untereinander verwandt oder verschwägert. Oft musste der Nachkomme die Witwe seines Vorgängers heiraten. Es kam aber auch sehr oft vor, dass der eigene Sohn oder der Neffe Nachfolger des Vaters oder Onkels im Pfarramt zu Wendeburg wurde.
Im Jahr 1753 weiteten sich die Pflichten der Wendeburger Pfarrer aus: Sie wurden zu einer Art Schulaufsichtsbeamten für alle umliegenden Dorfschulen. Das Wendeburger Pfarramt wurde Sitz einer "Inspektion" und die Wendeburger Pfarrer durften sich nun bis ins Jahr 1877 "Superintendent" nennen.
Inzwischen war nun die Kirche für die gewachsene Einwohnerzahl von Wendeburg, Wendezelle und Zweidorf zu klein geworden. Im Jahr 1770 wurde deshalb das Kirchenschiff verlängert und erhöht.
Nun saßen die Männer oben auf den sogenannten Priechen, die Frauen unten in Ihren Bänken (und sie kamen auch wirklich zum Gottesdienst! In einem Bericht über das kirchliche Leben unseres Ortes, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, heißt es: "Welch einen tiefen Eindruck machen die Sonntage auf jeden, der aus unkirchlich städtischen Kreisen hierher kommt. Man fühlt, dass hier die Brücke zwischen Himmel und Erde noch besteht. Morgens nach dem ersten Glockengeläut sieht man dichte Scharen schwarz gekleideter Männer zum Gotteshause wallen. Von etwa 1300 Einwohnern, Harvesse mit eingerechnet, waren 400-500 sonntäglich zugegen…"
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war auch das alte Pfarrhaus zu klein geworden und ein Anbau oder Ausbau nicht rentabel. So wurde unter Pastor Dr. Schönermarck das heutige Pfarrhaus (1827) errichtet und die dazu gehörigen Stallungen, das heutige Gemeindehaus. (übrigens waren für die Kosten — sowohl an der Kirche, als auch am Pfarrhaus — bis in unser Jahrhundert hinein allein die drei politischen Gemeinden Wendeburg, Wendezelle und Zweidorf zuständig.)
Besonders bekannt und um unseren Ort verdient gemacht haben sich die Pfarrer Wilhelm und Paul Beste. Dr. Wilhelm Beste - der spätere General-Superintendent von Braunschweig und Inhaber vieler hoher Auszeichnungen - war Pastor und Superintendent in Wendeburg von 1859 bis 1868; sein Sohn Paul Beste wirkte hier von 1886 bis 1892. Beide haben viele theologische Bücher und Traktate verfasst.
Im April des Jahres 1890 erblickte im Wendeburger Pfarrhaus Konrad Beste das Licht der Welt. Er wurde nach dem ersten Weltkrieg sehr beliebt als Dichter und Schriftsteller, dessen zahlreiche Romane hohe Auflagezahlen erreichten und dessen Dramen auf vielen Bühnen Deutschlands aufgeführt wurden. Er starb im Dezember 1958.
Mit Pastor Hayder, der über drei Jahrzehnte in Wendeburg Dienst tat, von 1892 bis 1923, zog dann eine neue Zeit herauf. Durch Zuckerrüben- und Spargelanbau waren unsere Orte relativ wohlhabend geworden. Und die auf Hayders Initiative eingerichtete Busverbindung nach Braunschweig (die erste Kraftpost-Omnibuslinie der Welt von 1904) sorgte dafür, daß das Geld auch bald ausgegeben werden konnte. Auf seine Initiative wurde noch vor dem ersten Weltkrieg die Raiffeisenkasse gegründet, die "Frauenhülfe" (eine Einrichtung, die damals etwa unserer heutigen Sozialstation entsprach) und der Kindergarten.
Für drei Jahrzehnte, die nicht nur politisch sehr bewegt sind, nämlich von 1929-1959, waren Carl Schlüter (gest. 1947) und sein Sohn Hans als Pfarrer in Wendeburg. Die Erschütterungen, die das sogenannte 3. Reich auch auf geistlichem Gebiet mit sich brachten, waren auch in Wendeburg zu spüren: Kirchenaustritte, Jugendweihen und Tauungen "unter der Fahne" wurden durchgeführt. In seinen Ausführungen zum Jahr 1940 schreibt Pastor Carl Schlüter: "Das Jahr 1939 hatte die ersten Kirchenaustritte gebracht, 6 der Zahl. In diesem Jahr traten 5 Personen aus, darunter der stellvertretende Vorsitze des Kirchengemeinderates und ein weiteres Mitglied, dass das Amt des Kreisbauernführers inzwischen erhalten hatte… Von welch großen Worten waren die Wahlen des Jahres 1933 begleitet! Wie klägliche Taten sind gefolgt!"
Als das 3. Reich zusammenbricht, ist damit noch nicht alles wie ein Spuk verschwunden. Zunächst sind 256 Gefallene aus unseren drei Dörfern zu beklagen. Und dann kommen die Heimatvertriebenen aus dem Osten: Sie bringen ihre eigenen Sitten, Gebräuche und Frömmigkeitstraditionen mit. Außerdem sind viele Schlesier katholisch. Für die Vertriebenen - aber auch für die Einheimischen - sind die ersten Jahre des Zusammenlebens durchaus nicht immer einfach und oft mit Misstrauen behaftet.
Als Pastor Edmund Thies dann 1959 nach Wendeburg kommt, hatte sich die Lage aber schon weitgehend normalisiert. Für die 1942 eingezogene und zerstörte Glocke hatte man 1952 eine Stahlglocke angeschafft und die 1937 errichtete Kindergartenbaracke war im Jahr 1958 durch ein richtiges Gebäude im Pfarrgarten ersetzt.
Zu Beginn der 60er Jahre wurde die Kirche total umgestaltet: Die Priechen wurden abgerissen, es wurden bequeme Bänke aufgestellt und eine schöne Orgel gekauft. Als Pastor Thies mit seinem 70. Geburtstag in den Ruhestand geht, kann er seinem Nachfolger eine große, gut geordnete Gemeinde übergeben.
Als 25. Pfarrstelleninhaber seit den Tagen der Reformation trat im Sommer 1977 Dipl. Psych. Pastor Otto Pfingsten seinen Dienst in Wendeburg an. In seine Wirkungszeit fällt ein Aufbruch in der Jugendarbeit: Der neu gegründete Jugendrat wird gegründet und etabliert sich. Die Kreise der Gemeinde führen ein selbstverantwortetes Gruppenleben. Sehr viele Vikare konnten ihre ersten Erfahrungen in Wendeburg sammeln, weil sie den Reisepastor häufig vertreten durften. In Pfingstens Zeit fällt u.a. der Bau der für vier Wochen genutzten Autobahnkirche Christophorus an der Raststelle Zweidorfer Holz 2005 sowie der Bau der Weidenkirche, die zu Pfingsten 2006 eröffnet wurde. Im Juni 2008 trat Pastor Pfingsten in den Ruhestand und zog nach Braunschweig.
Nach einer Zeit der Vakanz trat das Pfarrerehepaar Petra und Frank Wesemann seinen Dienst in Wendeburg und Harvesse am 1. August 2009 an.