Neulich wurde mein Onkel 90 Jahre alt. Da wir wegen einer Taufe und einer Konfirmation hier in Wendeburg zur Familienfeier am Samstag keine Zeit hatten, nahmen meine Frau und ich an einem Donnerstag ein paar Stunden frei und verbrachten so einen halben Tag in Auto bzw. in meiner alten Heimat Bad Pyrmont. Zur besten Sektanstoßzeit kamen wir an.
Mein Onkel war im Berufsleben Klempner und Gas- und Wasserinstallateur mit einem kleinen Ladengeschäft. In der Geburtstagsrunde saßen langjährige Innungskollegen, Handwerkerfreunde und wir beide. Als dann noch mein ehemaliger Pastor zum Geburtstagsbesuch vorbeikam, konnte ich mir den Spruch nicht verkneifen, dass nun Klempner und Seelenklempner anwesend sind.
Mein Pastor, der mich damals geprägt und in meinen Beruf geschubst hatte, wird in Kürze 80 Jahre alt. Er sprüht aber immer noch vor mehr Tatendrang und Freude an seinem Beruf als manch jüngerer Kollege. Trotz seines Alters unterstützt er - mehr oder weniger vollzeitlich! - die Kollegen, die entweder krank, in Elternzeit oder schlicht nicht vorhanden sind. Wie so oft versuchte er uns mit vielen warmen Worten zu locken, ob wir nicht in Pyrmont unseren Dienst fortsetzen wollten. Und wie immer war sein Versuch vergeblich. Er wusste aber zu berichten, dass mein Onkel einmal ein Altenheim vor einem schlimmen Unglück bewahrt hat. Damals war starker Gasgeruch gemeldet worden. Mein Onkel wurde gerufen. Nicht nur er musste die Luft anhalten, als er unter Lebensgefahr in den dunklen Heizungskeller stieg, um den Haupthahn zuzudrehen und die Katastrophe abzuwenden.
Solange ich meinen Onkel kenne, kann ich mich nicht daran erinnern, dass er irgendwann mal schlecht drauf war. Er hat immer einen netten Spruch auf den Lippen, war immer fleißig und zufrieden. Mit 90 noch ohne Gehhilfe und geistigen Einschränkungen unterwegs: Respekt! Zuletzt hatte er doch größere Herzprobleme bekommen. Eine oft verschobene und schwierige Operation stand an. Krank zu sein, war er nicht gewohnt. Nun ging es ihm wieder deutlich besser. Als wir bei Saft und Schnittchen zusammensaßen, sagte er dann etwas ganz Bemerkenswertes: Undankbar zu sein, wäre ungerecht. Das habe ich mir gemerkt. Und ich stelle mir gerade vor, wie es wäre, wenn dieser Spruch auf einem Banner in den Wartezimmern unserer Hausarztpraxen stehen würde: Undankbar zu sein, wäre ungerecht. Oder um es mit Worten aus Psalm 103 zu sagen: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!

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