In jedem Dorf gibt es Menschen, die in ihrer Funktion den Mund aufmachen müssen: Der Bürgermeister oder Ortsvorsteher, die Rats-Dame, der Lehrer, Vereinschef oder die Pastorin. Manchmal sagen die Sachen, die sie in echt gar nicht gesagt haben. Bei manchen Presseberichten habe ich mich daran gewöhnt, dass ich als wörtliches Zitat gezeichnete Sätze so nicht gesagt habe. Manchmal werden Sachverhalte so komplett verdreht oder unfreiwillig komisch, weil der Pressemensch nichts und das auch noch falsch verstanden hat. Schwamm drüber. Dumm ist nur, wenn empört weiter erzählt wird, was der Betreffende so gar nicht gesagt hat. Und statt beim ihm nachzufragen, tratscht man es empört weiter. Wie langweilig wäre das Dorf ohne Dorfklatsch? Jeder weiß, wann der Nachbar ins Bett geht, und mit wem. Man redet mehr übereinander statt miteinander. Jeder gibt eifrig seinen Senf dazu, damit er nicht selbst zur Bratwurst wird, an der sich die Leute festbeißen.
Dazu fand ich jetzt eine nette Geschichte (aus Axel Kühner: Überlebensgeschichten für jeden Tag): Ganz aufgeregt kam einer zum weisen Sokrates gelaufen: "Höre, Sokrates, das muss ich dir erzählen, wie dein Freund..." "Halt ein!" unterbrach ihn der Weise. "Hast du das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe gesiebt?" "Drei Siebe?" fragte der andere verwundert. "Ja, drei Siebe. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?" "Nein, ich hörte es erzählen." "So, so. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft, es ist die Güte. Ist, was du mir erzählen willst, wenn schon nicht als wahr erwiesen, so doch wenigstens gut?" "Nein, das ist es nicht, im Gegenteil." Der Weise unterbrach ihn: "Las uns auch noch das dritte Sieb anwenden und fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so erregt." "Notwendig nun gerade nicht." "Also", lächelte der Weise, "wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit!" Und der Apostel Paulus gibt uns dazu den Rat: "Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten!" (Epheser 4,25)

Rainer Sturm / www.pixelio.de