Das erste Wunder, das uns der Evangelist Johannes von Jesus berichtet, ist auf den ersten Blick wenig spektakulär. Es ist eher etwas für Feinschmecker. Jesus heilt keinen Blinden oder Tauben oder Stummen, er läuft nicht auf dem Wasser, er bringt keinen Sturm zur Ruhe, er weckt niemanden vom Tode auf, sondern er sorgt dafür, dass das Fest des Lebens weitergeht. Er macht Wasser zu Wein! Er war mit seiner zwölfköpfigen Wanderbibelschule auf einer Hochzeit eingeladen. Dazu hätte er wahrscheinlich heute Urlaub nehmen müssen, da eine Hochzeit damals sieben Tage dauerte. Da er und seine Zwölf Freunde und das ganze Dorf kräftig mit feierte, ging am dritten Tag der Wein zur Neige. Das war damals und ist heute für jeden Gastgeber ein sehr peinlicher Moment. Der Bräutigam - so stelle ich mir vor - steht mit hochrotem Kopf da. Kein Wein mehr! Wie peinlich! Die Stimmung wird kippen, das schöne Fest futsch sein. Die Braut wird blass. „Gleich fall ich in Ohnmacht!“ sagt sie zu ihrem frisch Angetrauten. „Ich hab' dir doch gleich gesagt, dass wir mehr Wein brauchen!“
Er darauf: „Hab ich nicht gehört!“ Sie entgegnet: „Warum könnt ihr Männer nie richtig zuhören?“ Er rollt mit den Augen. Sein Herz beginnt zu klopfen. Der erste Ehekrach bahnt sich an. Eltern und Schwiegereltern überlegen schon, wen sie zur Tanke schicken oder zum Kiosk. Das wird sie zum Gespött der Leute machen. Und noch in vielen Jahren wird es heißen, wenn es um sie und ihre Kinder geht: „Die hatten doch die Hochzeit, bei der der Wein ausging?“ Und alle werden wieder schadenfroh lachen und sich auf die Schenkel klopfen.
Auch in unserer schwierigen Zeit gehen Dinge zu Ende: Geld, Einsatz, gewohnte Strukturen, liebgewonnene Gewohnheiten. Es wird langsam knapp, der Mangel ist da, die Mangelerscheinung ist zu sehen. Wir haben das Gefühl, dass aus Wein Wasser wird. Oft auch im persönlichen Leben. An wen wenden wir uns in unserem Mangel? Wenn Glaube, Liebe und Hoffnung knapp sind, wenn unsere Kraft zu Ende geht, wenn unser Liebeskonto geplündert ist, wenn der lange Geduldsfaden gerissen ist, wenn alles vergeblich scheint? Wer kann unseren Lebensakku wieder auffüllen? Wohl nur der, der hier auch die Hochzeitsleute nicht hängen lässt.
Jesus sorgt dafür, dass aus mindestens 600 Litern Wasser 600 Litern Wein werden. Ich würde sagen, dass die für die restlichen vier Festtage gereicht haben. Reichlich! Wo er ist, geht das Fest weiter. Vielleicht hat der ein oder andere in den letzten Wochen nach langer Zeit mal wieder die Hände gefaltet. Beten heißt: Jesus unseren Mangel anvertrauen, mit ihm teilen, um Hilfe bitten und voller Vertrauen ein kräftiges Amen dazu zu sprechen. Und das wird am Ende reichen.

Foto: Andreas Morlok/ www.pixelio.de