Vor kurzem war es soweit: Wir feierten Klassentreffen. Nach 25 Jahren hatten ehemalige Mitschüler eingeladen zum Silber-Abi. Aus ganz Deutschland machten sich die Ehemaligen auf in den Ort ihrer Kindheit und Jugend. Ich war ein wenig aufgeregt, weil wir uns seit 5 Jahren seit dem letzten Treffen nicht gesehen haben und diesmal vielleicht auch ehemalige Mitschüler dabei sind, die ich seit den gemeinsamen Schultagen nicht mehr gesehen habe. 25 Jahre sind halt doch eine lange Zeit. Der Abend begann, die Lokalität füllte sich, und ich war froh, dass ich die meisten halbwegs wieder erkannte. Das Aussehen hatte sich zumeist verändert. Die Männer hatten zum Teil oben etwas weniger und in der Körpermitte etwas mehr als früher, aber an den Bewegungen und dem Tonfall der Stimme kam ich schnell auf die Spur, wen ich da vor mir und gerade umarmt hatte. Auch an den Damen sind die Jahre nicht spurlos vorbei gegangen. Aber als wir dann ins Gespräch kamen, waren wir wieder genauso jugendlich naiv und frisch wie in den vergangenen Zeiten. Weißt du noch: Der Lehrer, die Klassenfahrt, die Fete, der Mitschüler: Was aus dem wohl geworden ist? Diese Lehrerin sieht noch genauso aus wie früher – was, die lebt noch? Unser ehemaliger Sportlehrer - der kernigste Typ, den ich je kennen gelernt habe - war auch da. Er sah so aus wie immer und hatte auch dieselben Klamotten an wie immer. Und er läuft und läuft und läuft. Dazu noch zwei ehemalige Lehrer sowie Frau P., mit der ich dank Latein wenig zu tun hatte außer in der mündlichen Abiturprüfung in Religion, was meiner Note nicht so gut getan hat. Sie war deutlich entspannter als zu Schultagen und schleppte auch nicht mehr mindestens vier schwere Taschen mit sich herum.
Ich versuchte nach Art des Speed-Datings, mit möglichst Vielen wenigstens kurz zu plaudern und heraus zu bekommen, was sie denn gerade so machen: Beruf, Partnerschaft, Kinder, Eltern, und wo sie jetzt wohnen. Natürlich wurde auch ich ausgefragt und durfte so in der schwülen, lauten Feierluft Auskunft geben zum Thema Jungfrauengeburt und wie es ist, Trauerfeiern zu halten. Zum Papst und zu den Kreuzzügen hatte mal keiner eine kritische Anfrage. Nach acht Stunden Dauergesabbel, sich Anschreien und dem Versuch, bei dem Lärm zu verstehen, was der andere sagt, waren alle etwas erschöpft, so dass sich die Runde irgendwann auflöste. Wir waren halt keine zwanzig mehr. Vieles ging mir noch nach, und ich bin gespannt, was wir uns in fünf Jahren zu erzählen haben über uns, unsere Kinder und unsere Eltern. Und vielleicht sind dann ja auch einige von denen dabei, die ich dann seit 30 Jahren nicht gesehen habe.
So ein Wiedersehensfest kann hoch emotional sein. Man kann der verflossenen großen Grundschulliebe oder dem ärgsten Feind über den Weg laufen. Aber es überwiegt die Freude. Wie wird es wohl sein, wenn wir uns im Himmel wieder treffen? Werden wir die wiedersehen, von denen wir unter Tränen Abschied nahmen, die wir schon vergessen haben, von denen wir dachten, dass wir ohne sie nicht leben können? Werden wir überhaupt jemanden treffen und wiedersehen? Und worüber kann man sich dann noch unterhalten? Sicher gibt es da auch gutes Essen und passende Getränke, und niemand muss sich um seine Pfunde und sein Aussehen mehr Gedanken machen. Wen wir dort auch wiedersehen: Wichtiger ist, dass wir Jesus sehen und endlich begreifen, wer er ist und wie sehr er uns liebt.

Judith Lisser-Meister / www.pixelio.de