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29.08.2025 Kategorie: Angedacht

Fremdsprachen-Engel

Sprache der liebvollen Taten

Gespannt schaue ich den schwindelfreien Monteuren in luftiger Höhe zu. Oben ein Gewirr von Kabeln, von denen viele einfach ein paar Meter runterhängen. Unten, mitten auf dem Acker voll Getreide in knapp fünfzig Metern Abstand, dreht sich die große Kabeltrommel. Man hört das peitschende Geräusch des Kabels, das neu zwischen den Hochspannungsmasten gezogen wird. Da soll mehr Strom durch passen. Es glänzt noch neu und frisch in der Vormittagssonne. In großer Sommerhitze machen die Arbeiter in luftiger Höhe ihren wichtigen und gefährlichen Job. Die Energiewende ist im vollen Gang. Die Jungs oben rufen Kommandos. Der unten antwortet. Deutsch reden sie nicht.

Frühmorgens sind schon die kleinen Flitzer auf den Straßen unterwegs. Engeltaxis, denke ich. Drinnen Pflegerinnen und Pfleger, die sich um unsere Alten kümmern. Tag und Nacht. Bei jedem Wetter. Meist kompetent, geduldig, liebevoll und mit Zeitdruck im Nacken. Sie unterstützen die Angehörigen, haben ein gutes Wort, leiden und lachen mit und erledigen einen der schönsten und schwersten Berufe der Welt. Aber deutsch reden sie oft nur gebrochen.

Tag und Nacht rollen sie in ihrer Zugmaschine über die Autobahn, halten die Wirtschaft am Laufen, haben Waschmaschinen, Möbel, Maschinen, Stahlträger oder sonstwas geladen. Sie schlafen im Auto, Duschen an der Raststätte, und wenn es ganz blöd läuft, verbringen sie ihr Wochenende fern der Familie auf einem Autobahnparkplatz mitten in der Pampa. Statt ihnen zu danken, werden sie angehupt und angeraunzt. Sie sind nicht hoch angesehen. Dabei würde ohne sie unserem Land der Stillstand drohen. Deutsch sprechen die meisten nicht.

Durch ein Loch im Bauzaun erhasche ich einen Blick auf die Baustelle. Ein großes Gewimmel von Bagger, Kipper und Kran. Das nie erwachsen gewordene Kind im Mann freut sich. Könnte stundenlang stehen bleiben und zugucken. Neben den Maschinen stehen die Malocher. Sie flechten den harten und kalten und schweren Stahl, stellen die Schalungen, lassen den Beton fließen, kauern auf den Knien und ziehen die Masse glatt. Unter dem Helm Schweiß und Falten. Viele alte Männer, denke ich, der ich auch nicht mehr jung bin, und die wenigsten sprechen deutsch.

Sie alle und noch viel mehr tun, was wir nicht können oder wollen und das oft zu einem Lohn, der der Arbeit nicht angemessen ist. Sie verdienen Besseres. Sie dienen unserem Land und verdienen Respekt und Anerkennung. Denn sie bringen uns voran, auch wenn sie oft kein Deutsch sprechen, sie, die fleißigen Fremdsprachen-Engel.

Foto: Alexa / www.pixabay.com

Beitrag von Frank Wesemann