In Wendeburg droht eine Storchenplage. Den Eindruck konnte man gewinnen, als man neulich die Zeitung aufschlug. Tatsächlich brüten die hübschen Tiere inzwischen an jeder Ecke. Mancher Gastwirt überlegt wahrscheinlich schon, ob er Storchenschnabel in den Biergarten pflanzt oder sich gleich einen Storch brät. Denn Störche auf dem Dach oder im Baum oder auf der Laterne machen Dreck. In der Zeitung stand, man solle den Störchen bitte keine neuen Nistmöglichkeiten anbieten, sonst reiche in den nächsten zu trockenen oder zu nassen, zu heißen oder zu kalten Wochen das Nahrungsangebot irgendwann nicht aus. Wie fürsorglich manche sind: Jetzt schreiben wir auch noch den Störchen vor, wo sie nisten sollen und wo nicht. Dabei regelt das die Natur am besten selbst.
Gerade herrschte wieder reger Flugbetrieb. Der Grund war wahrscheinlich eine heiße Storchendame, die sich zwischen zwei männlichen Bewerbern entscheiden musste. Nach erfolgter Datingshow per Luftkampf und partnerschaftlichen Vergnügungen auf der Eiche neben der Grundschulmensa brauchte das Paar nun ein Heim. Und da kam der Schornstein der Grundschule gerade recht. In Windeseile schleppte der Storch im Minutentakt Nistmaterial heran, um seiner Dame in wenigen Tagen ein bezugsfertiges Nest zu präsentieren. Während das Weibchen nun rumsitzt und wahrscheinlich einen warmen Hintern bekommt, muss ihr Partner weiterhin die Brutstätte ausstattungstechnisch optimieren und aufpassen, dass seine Herzensdame nicht irgendeinem Nebenbuhler hinterher klappert.
Was mich bei dem ganzen Schauspiel beeindruckte, ist, wie fokussiert Störche ihrer Arbeit nachgehen. Nestbau ist Nestbau. Da ist Ablenkung und Zerstreuung eher schädlich. Dagegen sind die meisten von uns ein leichtes Opfer für Ablenkung. Hier kommt ne Mail, da ein Anruf, hier eine Nachricht oder eine Warnmeldung vom Wetter. Liveticker ticken uns an, bis wir irgendwann nicht mehr richtig ticken oder vollkommen aus dem Takt geraten. Bei der ganzen Ablenkung würden wir nie mit unserem Nest bzw. der uns gestellten Aufgabe fertig werden, wenn wir es nicht lernen, uns zu fokussieren. Dafür müssen wir uns entscheiden: Was ist dringend? Was ist wichtig? Was könnten andere vielleicht mindestens genauso gut wie ich? Was kann ich mit meinen Möglichkeiten verändern, und was nicht? Diese Fragen betreffen alle Angelegenheiten des Lebens, auch des Glaubenslebens. Wer seinen Fokus findet, Ablenkungen ausblendet und nicht über jedes Stöckchen springt, das man ihm hinhält, kommt wahrscheinlich schneller und zufriedener an sein Ziel.