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19.06.2020 Kategorie: Angedacht

Gütergemeinschaft

Für 13 Minuten im Jahr?

Ein richtiger Mann braucht WAS in Deutschland? Richtig: Eine Bohrmaschine. Die braucht er einfach. Immer wieder. Ab und zu. Genau gesagt: 13 Minuten im Jahr! Nachhaltigkeitsinitiativen schlagen deshalb gemeinschaftlichen Konsum vor, das bedeutet Teilen oder Tauschen. Jeder von uns hat Werkzeuge oder Haushaltsgeräte, die nur sehr selten benötigt werden und verliehen werden könnten. Andersherum wäre es sinnvoll, Dinge, die man selbst nicht hat, auszuleihen. Was sich so schön anhört, macht aber auch Probleme. Was, wenn der andere nicht achtsam mit meinem Eigentum umgeht und die Bohrmaschine kaputt macht? Was ist, wenn es zu kompliziert ist, sich abzusprechen und ich das Ding ausgerechnet dann brauche, wenn ich es verliehen habe? Ich weiß noch aus meiner Kindheit, dass unser lieber Nachbar sich gern Geräte von meinem Vater ausgeliehen hat. Zum Beispiel die Bohrmaschine. Die brauchte er dann vielleicht wirklich nur 13 Minuten, hat sie aber wochenlang nicht wiedergebracht. Mein Vater grollte lieber, als nach der Bohrmaschine zu fragen. Wäre doch kein Ding gewesen: Rübergehen, klingeln, fragen, sich an der Entschuldigung freuen und Bohrmaschine wieder mit Hause nehmen. Aus dem Grund hat wahrscheinlich jeder deutsche Mann eine Bohrmaschine zu Hause rumliegen. Für 13 Minuten im Jahr. Da sind die Männer Jäger und Sammler geblieben. Von Jesus wissen wir, dass er nur das Nötigste besaß. Jesus lag als Baby in einer geliehenen Krippe, predigte von einem geborgten Boot aus, hatte auf seiner Predigtreise kein eigenes Wohnmobil dabei und wurde am Karfreitagabend in einem geliehenen Grab bestattet. Man kann also nicht sagen, dass ihm Besitz so wichtig war, wie das bei uns heute der Fall ist. Mit seinen Freunden hatte er eine gemeinsame Kasse. Als die ersten christlichen Gemeinden entstanden, wurde bei ihnen Gütergemeinschaft praktiziert. Die Mitglieder verkauften ihren Besitz und teilten mit allen die Erlöse. So hatte jeder genug und keiner litt Not. In manchen Kommunitäten und Klöstern wird das bis heute so gemacht. Im Vertrauen auf Gottes Fürsorge verliert der eigene Besitz seinen Wert und erfüllt seinen Zweck nur in Verwendung für die Gemeinschaft. So schön die Idee auch ist: Sie scheitert an der Annahme, dass alle Menschen lieb und gut, uneigennützig und selbstlos sind. Das war schon damals nicht so: Judas, der die Kasse der Jünger führte, bereicherte sich daraus. Ein Ehepaar, das seinen Besitz für die Gemeinde verkaufte, behielt einen guten Teil für sich, und viele Gutgläubige wurden auch später in den Kirchen immer wieder von Raffgierigen betrogen. Der Mensch scheitert wie immer an sich selbst. Weil jeder irgendwie doch seine eigene Bohrmaschine braucht. Und sei es auch nur für 13 Minuten im Jahr!

Foto: uschi dreiucker / www.pixelio.de

Beitrag von Pfarrer Frank Wesemann