Wir haben gerade einen neuen BUR aufgestellt. BUR steht für Bahn-Unpünktlichkeits-Rekord. Stand er bisher bei zweieinhalb Stunden, konnten wir ihn kürzlich an einem der heißesten Tage des Jahres auf satte fünf Stunden verdoppeln. Es fing damit an, dass der ICE in Stuttgart schon voll war und etliche Reisende zustiegen. Weil unerfahrene Bahnreisende eben unerfahren sind, steigen die in den erstbesten Wagen ein und laufen nicht am Zug entlang zum Ende des Bahnsteiges zu den hoffentlich etwas leereren Wagen. Da unser ICE aus zwei aneinander gekoppelten Zügen bestand, musste man also aus dem ersten raus und in den zweiten rein. Wir saßen auf unseren reservierten Plätzen und warteten auf die Abfahrt. Und warteten. War es nun die Nettigkeit der Bahn oder die Unerfahrenheit besonders unerfahrener Bahnfahrer: Unser Zug fuhr mit 15 Minuten Verspätung los. Es würde also knapp werden zum Umstieg in Mannheim. Wurde es aber nicht, da man den ICE, in den wir rein mussten, nicht zwei Minuten auf uns warten ließ. Also waren wir satte zwei Stunden in Mannheim gestrandet. Reservierung und gute Laune futsch. Der nächste ICE kam halbwegs pünktlich, musste aber wegen einer Weichenstörung eine andere Route nach Frankfurt nehmen. So verloren wir die dritte Stunde. Weil bei Kassel in Tunnelnähe ein Wäldchen brannte, ging es ab Fulda auf einer Nebenstrecke nach Göttingen (+ 1 Stunde). Unterwegs hielten wir nahe Bebra noch eine Stunde, und der freundliche Zugbegleiter wusste nicht einmal, warum. Inzwischen spendierte die Bahn Mineralwasser für alle. Statt um 18:00 Uhr war es gegen 23:00 Uhr, als wir zu dritt in Braunschweig ankamen und unser Ziel endlich erreichten. Lange und lästige Umwege gehören manchmal zum Bahnfahren dazu. Dort hoffentlich seltener als im eigenen Leben, wo manche Weiche anders gestellt wird als wir wollen. Träume platzen, Pläne scheitern, Vorhaben gelingen nicht. Statt Schnellstrecke lahmes Nebengleis, statt direkt über weite Umwege. Das ist oft so und meist nicht schön. Aber manchmal sind es auch die Umwege, die einen besonders dankbar das Ziel erreichen lassen.

Kurt Michel / www.pixelio.de