Die eigene Familie kann ein Stück Himmel auf Erden sein - oder das genaue Gegenteil. Trotz aller Anfeindungen und Schwächungen ist das Lebensmodell Familie in. Jugendliche träumen laut Umfragen von Ehe und Familie: Vom richtigen, verlässlichen und verständnisvollen Partner, Kindern, Hund und Haus. Grundsätzlich sind »Verwandtschaft« und »Familie« positiv besetzt, stehen sie doch als Garant für Werte und für stabile Verhältnisse, in denen ein Aufwachsen der Kinder in Geborgenheit und Sicherheit gewährleistet ist. Früher „musste“ man heiraten, um dem Nachwuchs äußere Stabilität zu verleihen. Familie ist heute der letzte große Sehnsuchtsort in unruhigen Zeiten. Wenn sich alles ändert und Selbstverständlichkeiten zerbröseln, dann bleiben nur noch Familie und Blutsbande. Nichts ist widerstandsfähiger und kraftspendender als eine funktionierende Familie! Nirgendwo gibt es so viele gelingende Liebesgeschichten - und genauso viele schmerz- und leidvolle Trennungsgeschichten wie in der Familie.
Wenn wir uns die Familie von Jesus als heilige Familie vorstellen, haben wir länger nicht in der Bibel nachgelesen. Denn dort gab es immer wieder Spannungen zwischen Jesus und seinen Geschwistern, die zum Teil neidisch auf ihn blickten. Stets stand Jesus im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Er konnte gut reden, heilen und Wunder tun, sie nicht! Der ganzen Familie gefiel es immer weniger, dass Jesus mit seinen seltsamen Jüngern als Wanderprediger durch die Lande zog anstatt endlich die Kurve zu einem bürgerlichen Leben zu bekommen, seinem Beruf als Zimmermann gewissenhaft nachzugehen und vielleicht irgendwann selbst eine Familie zu gründen. Stattdessen lief Jesus häufiger aus dem Ruder, sodass ihn seine Familie immer weniger verstand und sich manchmal sogar für ihn schämte. Sie hatten den Eindruck, er sei verrückt geworden. Nach orientalischer Sitte war in einem solchen Fall die Familie gefordert, dem Treiben des Familienmitglieds Einhalt zu gebieten. Wahrscheinlich machen sie sich jetzt deshalb auf den Weg. Es war leicht, ihn zu finden. Schon von ferne nahmen sie den Menschenauflauf wahr. Ein Vordringen zu Jesus war unmöglich. Die Tür zu dem Gebäude, in dem sich Jesus befand, stand offen, und der gesamte Flur war von Menschen belagert. Da baten sie jemanden, zu Jesus hineinzugehen und ihm mitzuteilen, dass seine Mutter und seine Geschwister da seien und ihn dringend sprechen wollten. Er solle bitteschön zu ihnen herauskommen. Das tat er aber nicht, sondern erklärte seine Zuhörer zu seiner Familie.
Jesus gründet eine Familie, ganz ohne Frau und ohne Kinder. Einziges Kriterium über die Zugehörigkeit zu Jesus und seiner Familie ist und bleibt bis heute, ob jemand sich ehrlich darum bemüht, Jesus nachzufolgen und sich zu ihm bekennt. Seine Familie bestimmen nicht die Gene, sondern der Glaube. Sie ist der Ort, wo unperfekte und unfertige Menschen sich vom Heiligen Geist erneuern lassen, Liebe, Geduld und Barmherzigkeit einüben und sich mit ihren Schwächen und Stärken annehmen und lieben lernen.
Manchmal geht es unter den Christen nicht besonders heilig zu, sondern wie in der buckligen Verwandtschaft. Oder wie mit Geschwistern, die sich öfter an den Haaren ziehen, fester als nötig boxen und unterm Tisch vors Bein treten. Freunde kann man sich aussuchen, Geschwister aber nicht. Und trotzdem ist die Familie von Jesus etwas Einzigartiges, Schönes, Wunderbares, über Konfessionsgrenzen hinweg, weltweit und hier an unserem kleinen Ort. Jeder Gottesdienst ist eine kleine Familienfeier, ein Treffen der Kinder Gottes. Und wenn ich sonntagsfrüh aufstehe, freue ich mich immer, dass seit einigen Stunden die Familie Gottes, unsere Brüder und Schwestern, schon kräftig dabei sind, östlich von hier bis Australien bewegende Gottesdienste zu feiern, Gottes Liebe zu preisen und sich gegenseitig im Glauben und im Vertrauen zu stärken. Das kann nur die Familie der Kinder Gottes, zu der wir dazu gehören, wenn wir Jesus suchen, auf ihn hören und mit ihm leben.

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