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21.11.2020 Kategorie: Angedacht, Pfarrverband

Zwischenzeit

Wir alle kennen das aus unserem eigenen Leben

Wir alle kennen das aus unserem eigenen Leben: Übergangszeiten, in denen Weichen für die Zukunft gestellt werden. Bei kleinen Kindern wechseln sich diese Zeiten sehr schnell ab: Liegen, Krabbeln, Zähne, Laufen, Trotzphase, Kindergarten, Grundschule. Kaum hat eine Phase begonnen, ist sie fast schon wieder vorbei. Dann kommt die Pubertät, vielleicht die erste Liebe, vielleicht die erste schmerzhafte Trennung. Die Zeit der Verlobung ist so eine klassische Zwischenzeit auf dem Weg in die Ehe. Mütter sind froh, dass die Schwangerschaft eine Zwischenzeit ist und nicht dauerhaft – und die Väter meistens auch. Als in meinem Studium der junge Zahnarzt mit gezückter Spritze neben mir stand und mich fragte, mit welchem Weisheitszahn er anfangen soll, war die Zwischenzeit zwischen Studentenleben und dicker Backe recht kurz.

In diesen Tagen wird entschieden, wie die Zwischenzeit zwischen coronabedingten Einschränkungen und freigeimpfter Normalität gestaltet werden soll. Da die medizinische Wirksamkeit vom „Backenzusammenkneifen“ noch nicht wissenschaftlich belegt ist, liegt da noch ein weiter Weg vor uns allen. Auch wenn die Geduld langsam unweihnachtlich flöten geht, der allgemeine Frust zunimmt, unsere innere Winderstandsfähigkeit dahinschmilzt, querdenkende Querköpfe und Querulanten in der gegenseitigen Fürsorge eine Verschwörung wittern, Kinder, Jugendliche, Eltern, Lehrer und Verdienstausfallgeschädigte langsam auf dem Zahnfleisch kriechen und ernsthaft verzweifeln: Es ist eine Zwischenzeit, die vergeht. Ja, die Krise hat physische und psychische Opfer gefordert. Sie wird das auch noch eine Zeitlang von uns abverlangen. Sie wird uns verändern, und ob sie uns zu besseren oder bitteren Menschen macht, liegt an uns.

Für das Leben in unseren Kirchengemeinden gelten unsanfte Einschränkungen. Gruppen und Kreise, die einander aufbauen und trösten und Gemeinschaft leben, müssen ausfallen. Konfirmanden sind bei uns im Homeoffice. Das Leib und Seele wohltuende gemeinsame Singen ist verstummt. Die Termine, die wir bekanntgeben, gelten alle unter Vorbehalt. Alles kann sich kurzfristig ändern. Informieren Sie sich bei Ihren Kirchengemeinden, was wann und wo läuft. Ziehen Sie sich unter Umständen warm an und bringen für sich zum abendlichen Adventsgottesdienst draußen an der Kirche ein Heißgetränk mit. Halten Sie Abstand. Und lassen Sie sich trotz Kälte und Nieselregen nicht abhalten, zur Not auch mit Maske in die schönen Adventslieder einzustimmen. Auch die handeln meist von einer Zwischenzeit: Zwischen dem Retter, der zu uns unterwegs ist, und dem, der bei uns ankommt, um es auch in finsterer Zeit in uns hell zu machen! Und diese alten Worte bekommen plötzlich eine ganz tiefe Bedeutung: „Wo bleibst du Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal (Ev. Gesangbuch Lied 7 Strophe 4).

Foto: smithy / www.pixelio.de

Beitrag von Frank Wesemann