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05.12.2016 Kategorie: Angedacht

Adventsfenster

Ein Adventsplätzchen für das Geburtstagskind

Der Pfarrer und der Rabbi, sein jüdischer Kollege, waren Freunde geworden. Oft trafen sie sich, um die Fragen des jüdischen und christlichen Glaubens zu diskutieren. Am meisten bissen sie sich an der wichtigen Frage fest: »War Jesus wirklich der Messias, der kommen sollte?« Wieder einmal bestand der Pfarrer darauf: »Jesus Christus ist der, den Gott geschickt hat!« Da schwieg der Rabbi, trat ans Fenster und öffnete es, schaute einige Zeit hinaus, drehte sich zu seinem Gesprächspartner um und sagte: »Aber es hat sich nichts geändert!«
Der Rabbi hätte mal unsere Vorweihnachtszeit kennenlernen sollen! Was wir da alles auffahren und veranstalten um das Fest der Geburt von Jesus herum: Weihnachtsmärkte, Weihnachtsfeiern, Weihnachtslieder, Weihnachtsmänner, Weihnachtsdeko, Weihnachtsrezepte, Weihnachtsplätzchen, Weihnachtsbier, Weihnachtsstimmung, Weihnachtsschnäppchen, Weihnachtsschnäppschen, Weihnachtsbaum, Weihnachtsalptraum, Weihnachtsstress über und über ...
Wir feiern Weihnachten im Advent, die Erwartung Jesu statt seiner Geburt, den Weihnachtsmann statt den Wundermann, Kerze statt Kreuz und das Christkind statt den, der die Kinder segnet. Wir feiern Weihnachten wegen Jesus, aber nicht mit ihm. Wir feiern Kindergeburtstag ohne das Geburtstagskind. Jesus muss draußen bleiben! Wir geben ihm keinen Platz, höchstens ein Plätzchen, ein Weihnachtsplätzchen, ein ziemlich schattiges noch dazu.
Es gibt keine anderen Wochen im Jahr, die mit so viel Essen und Trinken, mit Bratwurst und Glühwein, Waffel und Wildschwein, Pizza und Punsch, Lebkuchen und Marzipan gefüllt sind wie die vorweihnachtliche Adventszeit.
Die Geburt von Jesus wird in unserer Kultur noch mit großem Aufwand und Engagement gefeiert. Manchmal nennt man es aber schon nicht mehr Weihnachten, sondern Winterfest.
Aber den Begriff kenne ich nur von manchen Pflanzen im Garten. Doch, Rabbi, es hat sich etwas geändert, seit Jesus geboren wurde und gelebt hat.
Doch wahrscheinlich wollte der Rabbi nicht sehen, wie viel wir feiern. Aller äußere Schein der Vorweihnachtszeit kann nicht verbergen, wie viel Leidvolles und Ungnädiges in den Adventswochen geschieht. Krankheit, Tod, Krieg und Gewalt gibt´s auch im Advent. Man kann sich diese Welt nicht schöner trinken als sie ist, auch nicht auf dem schönsten Weihnachtsmarkt.
Die Antwort auf die Schreckensnachrichten kann nicht heißen: Mehr feiern, mehr genießen, sondern: Hinausblicken aus dem Adventsfenster auf den König, den Gott kommen lässt. Und das voller Sehnsucht und freudiger Erwartung, weil mit dem Heiland das Heil kommt. Er kommt! Jesus kommt zu uns! Das ist Advent.

Ruth Rudolph / www.pixelio.de

Beitrag von Pastor Frank Wesemann