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21.03.2024 Kategorie: Angedacht

Kirche im Abwind

Die alten Zeiten sind vorbei und Änderungen immer möglich

War es früher normal, zu einer der großen Kirchen zu gehören, wird es heute mehr und mehr zur Ausnahme. Man muss nicht mehr rechtfertigen, warum man austritt, sondern begründen, warum man es nicht tut. Zum einen sammeln die Menschen in unserem Land lieber vergängliche Schätze (wie Jesus das sagen würde) statt in ewig bleibende Werte zu investieren. Zum anderen ist die Kirche als verlässlicher Sinnstifter unglaubwürdig geworden. Was sie sich vermutlich selbst zuzuschreiben hat. Wenn man ihre offiziellen Verlautbarungen vernimmt, hört man von ihr eher politische Positionen und Empfehlungen als das, wozu sie eigentlich da ist: Die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus in Wort und Tat.

Die Kirche, so scheint es, beschäftigt sich auf der oberen Ebene vor allem mit sich selbst: Mit Studien zur Mitgliederentwicklung, zu sexualisierter Gewalt, mit Strukturfragen, dem Klimawandel, der Flüchtlingsproblematik, mit Krieg und Gewalt. Mit Zukunftsprozessen möchte man eine kleinere, aber effektivere, eine ärmere, aber stabilere, eine schlankere, aber präsentere Kirche schaffen. Mit einem Gebäudezukunftsprozess beschreibt man eine Kirche, die im Idealfall mit der Hälfte weniger Gebäude und genauso mit 50% weniger Personal und halb so viel Geld die gleiche Kirche für die Menschen sein kann wie vorher.

Man muss kein Mathe-Abi haben, um zu erkennen, dass diese Rechnung wohl nicht aufgehen kann. Mit halb so viel Investition fährt man auch nur halb so viel Gewinn ein. Das nimmt man in Kauf, solange das Sparschwein gemästet wird.

Seit knapp 15 Jahren sind meine Frau und ich für Wendeburg und Harvesse zuständig und immer noch mit dem Herzen dabei. Wir machen sicher nicht alles richtig, aber alles, so gut wir können, um für die Menschen in und außerhalb der Kirche etwas Gutes zu bewirken.

Wir wollen Glauben und Gottvertrauen wecken und stärken, anrührende und aufrüttelnde Gottesdienste gestalten, Werbung für ordentliche und schöne Taufen und Trauungen

und tröstende Trauerfeiern machen, Kinder und Jugendliche mitnehmen auf einen segensvollen Glaubensweg und für alle da sein, so gut und so schnell wir können.

Die ersten 15 Jahre waren wahrscheinlich besser als die 15, die jetzt noch bis zu unserem Ruhestand kommen werden. Falls wir ihn denn erleben. Im Herbst ist unser Kollege in Völkenrode/Watenbüttel in den Ruhestand gegangen, Pfarrerin Golze ist bereits verabschiedet, so dass wir ab 1. April dazu auch noch Bortfeld und Wedtlenstedt mitversorgen müssen. Das ist so, als würde man unserem Bürgermeister sagen, er soll mal eben eine Nachbargemeinde mitversorgen, damit der Landkreis Geld spart.

Wir werden Pfarrer für Gemeinden, die uns nie gewählt und für die wir uns nie beworben haben. Und statt gut 2000 Gemeindeglieder für zwei Gemeinden haben wir im Team nun knapp 7000 in sechs Kirchengemeinden mit neun Türmen zu versorgen.

Die alten Zeiten sind vorbei: Ein Dorf, ein Pfarrer: Das war einmal. Die Volkskirche mit ihrer selbstverständlichen Zugehörigkeit ist am Ende. In 10 Jahren sind meine Frau und ich für die gesamte Propstei Vechelde zuständig. Die es dann wahrscheinlich auch nicht mehr gibt, weil Kirchenleitung mal wieder über eine Propsteistrukturreform nachdenkt. Gut, das braucht meistens Jahre bzw. Jahrzehnte. Denn unsere Landeskirche ist bekanntlich kein Schnellboot, sondern eher ein träger Tanker. Nur bei Kürzungen von Pfarrstellen legt sie merkwürdigerweise eine erschreckende Geschwindigkeit an den Tag.

Wir teilen uns diese neuen Aufgaben vorwiegend als Teilzeitpfarrer mit dem Pfarrerehepaar Doerk/Vollmer-Doerk aus Meerdorf. Das erfordert Planung und Absprachen, Ausprobieren und Erproben. Da uns die Kirchenleitung sagt, dass wir Dinge lassen sollen, können wir Gottesdienste leider nicht mehr im gewohnten Takt anbieten. Gottesdienste gehören zu unserem Kerngeschäft, obwohl Kirchenleitung und leider auch der Großteil der Gemeindeglieder das anders sehen. Vertraute Gottesdienstzeiten und - orte ändern sich, so dass sich Gottesdienstbesucher bitte rechtzeitig informieren müssen. In Wendeburg soll möglichst verlässlich wöchentlich am Sonntag Gottesdienst sein. Damit wir vorher noch woanders arbeiten können, rutscht die Zeit auf 11.00 Uhr. Bei allem Planen und Absprechen und Informieren: Änderungen sind immer möglich. Wie im Leben. Gesegnetes Osterfest!

Foto: Donnawetta / www.pixabay.com

Beitrag von Frank Wesemann