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19.12.2017 Kategorie: Angedacht

Zwischenzeit

Bei Gott in der ersten Reihe

Plötzlich sitzt man in der ersten Reihe. Nicht bei ARD oder ZDF, sondern in einer tristen Trauerhalle unserer Gemeinde. Wir nehmen Abschied von Mutter oder Vater und merken, dass wir nun plötzlich die älteste Generation in der Familie sind. Auf einmal gehört man zum „alten Eisen“ und feiert selber die Geburtstage, die man in Kindheit und Jugend für Greisengeburtstage gehalten ist. Nun ist man selber alt geworden. Plötzlich und unerwartet. Man teilt das klamme Gefühl, der oder die Nächste sein zu können, was eigentlich Quatsch ist, weil völlig unabhängig vom Alter jeder Tag auch unser letzter sein kann. Der Platz in der ersten Reihe ist für Viele eine Last. Dabei müsste man eigentlich dankbar sein, einen Menschen so lange gekannt und geliebt zu haben, dass man in der ersten Reihe sitzen darf. Man darf diesen Tag erleben und musste nicht vor der Zeit gehen. Man darf in Liebe und Dankbarkeit und bei vollem Bewusstsein Abschied nehmen, sich an die guten, gemeinsamen Zeiten erinnern und sich freuen, dass man eine Schatzkiste voller Erinnerungen bekommen hat. In der ersten Reihe zu sitzen zeigt auch, dass das Leben weitergeht. Vielleicht sitzen unsere Kinder neben uns und Enkel daneben. Vielleicht ist es einfach der Lauf der Zeit, dass Leben vergeht und neues Leben entsteht. Das alte Jahr geht, das neue kommt, und auch liebe Menschen kommen und gehen. Wir leben in der Zwischenzeit. Auch ohne uns dreht sich die Erde wahrscheinlich noch ein wenig weiter. Auch ohne die, von denen wir Abschied nehmen mussten, geht unser Leben wahrscheinlich noch ein wenig weiter. Oft mit Tränen und traurigen Momenten, aber oft auch mit einem Lächeln auf dem Gesicht, wenn wir uns an unsere Lieben erinnern. Sie sind ja nicht weg, nur einen Schritt weiter. Sie haben uns den Himmel voraus, wenn sie ihn sich haben schenken lassen. Uns fehlen sie, aber ihnen fehlt nichts. Bei Gott sitzen sie in der ersten Reihe.

Thomas Max Müller / www.pixelio.de

Beitrag von Pastor Frank Wesemann